Samstag, 30. Januar 2010

Henryk M. Broder und Leo Katzenberger - Meditation zu Volksschädlingen

"Erst knutschen, dann köpfen" - Henryk M. Broder leistet Erinnerungsarbeit.

Nicht vertiefen, sondern nur darauf hinweisen will ich auf den genialen Kurzschluss der Überschrift, der auch durch die Meister der Titel in BILD nicht getoppt werden dürfte. Broder fasst hier folgendes zusammen "Erst knutscht Katzenberger, dann köpfen ihn dafür NS-Richter". Kann Broder noch zwischen Subjekt und Objekt bzw. Aktiv und Passiv, Täter und Opfer unterscheiden?

Es ist Broders Verdienst, dass er spät, aber immerhin doch auf das schon seit Ewigkeiten hinlänglich bekannte Skandalon hinweist, dass gerade die deutsche Justiz  als "Richter in eigener Sache" nicht bis wenig bereit war, ihre Verstrickungen in das Unrechtssystem des Dritten Reiches aufzuarbeiten. Die junge Bundesrepublik war keine moralische tabula rasa, keine Jungfrauengeburt und unbefleckte Empfängnis. Es war eine Entscheidung der jungen Republik, Funktionseliten des Dritten Reiches zu übernehmen. Und es war ein langwieriger und oft schmerzhafter Kampf, den vorherrschenden Rechtspositivismus zu bekämpfen und zu überwinden. Wir, die wir in und mit der BRD aufgewachsen sind, erinnern uns alle an Filbingers "Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein." - Warum Broder nicht schlicht sagen diese Juristen sein führende Manager der Firma Freisler, warum Broder umständlich sagen "Unter diesen Umständen von den “Erben der Firma Freisler” zu sprechen, ist wirklich eine schamlose Untertreibung."?  Was er wollen sagen damit? Bitte herausrücken, er doch nicht aufs Maul gefallen. Bitte, nicht schamlos untertreiben.

Was mich immer wieder irritiert, sind Zeitgenossen, die sich keinerlei Vergehens, Verbrechens, keiner Schuld bewusst sind, nicht heimgesucht werden von, sagen wir es ganz altmodisch, Gewissensbissen oder den Erynnien. Nichts scheint sie zu plagen, sie sind mit sich im reinen, das sind, wie Freud sagte,  purifizierte Lust-Ichs, aber sie sind umso unerbittlicher gegen andere.

Hat Broder bei seiner Erinnerungsarbeit nicht etwas Entscheidendes vergessen? Ich habe in der Post "Betr.: Polemik et le pauvre Henryk M. Broder" auf die "Volksschädlingsaffäre", die immer noch nicht genügend in der Öffentlichkeit gewürdigt wurde, hingewiesen. In diesem Zusammenhang muss an dieses schäbige Bubenstück nochmals erinnert werden.

Am 8. Februar 2007 ritt Henryk M. Broder auf der Achse des Guten folgende Attacke auf Prof. Dr. Verleger "Arno Hamburger. Der Siegfried von Nürnberg".

"Hamburger hat kein Verständnis dafür, dass Prof. Dr. Rolf Verleger immer noch „Mitglied im
Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland“ ist. Der Mann, sagt Hamburger, sei
„das jüdische Alibi der NPD“, „ein vergiftetes Würstchen“ und „ein Volksschädling“. Und
damit die Besucher nicht auf die Idee kommen, er habe sich nur versprochen, wiederholt er:
„Ein Volksschädling“. …
„Rolf Avraham-Mordechai Verleger“. Hamburger macht ein Gesicht, als habe er in einen
faulen Apfel gebissen, und wiederholt ganz langsam. „Rolf Avraham-Mordechai Verleger“.
Und es klingt wie Rolf „Israel“ Verleger
"

Besonders pikant an dieser Angelegenheit ist: Der Begriff „Volksschädling“ stammt aus der Zeit des Nationalsozialismus und wurde durch die Volksschädlingsverordnung vom 6. September 1939 zum Rechtsbegriff. Diese Verordnung wurde z.B. auf Leo Katzenberger, einen Nürnberger Kaufmann und Ersten Vorsitzenden der jüdischen Kultusgemeinde Nürnbergs von 1939 – 1942 angewendet. „Die Anklage gegen ihn wurde kurzerhand auf Verstoß gegen die Volksschädlingsverordnung ausgedehnt, wodurch die Todesstrafe wegen besonders verwerflichen Verhaltens unter Kriegsbedingungen möglich wurde. … Am 3. Juni 1942 wurde Leo Katzenberger hingerichtet.

Ich habe mir damals erlaubt, in einem Brief an den Zentralrat der Juden in Deutschland auf den Vorfall hinzuweisen, danach auch die deutsche Qualitätspresse unterrichtet. Stellen Sie sich vor, Martin Walser oder Jürgen Möllemann oder gar Günter GraSS (in der Schreibweise von Broder & Co.) hätten derartiges geäußert. Stellen Sie sich den Tsunami der Erregung vor "Man reißt und schleppt sie vor den Richter, | Die Szene wird zum Tribunal, | Verbannt werden die Bösewichter, | Getroffen von der Rache Strahl."  Bei diesem "Vorfall" blieb die tiefe See der deutschen öffentlichen Meinung mucksmäuschenstill. Doch, eine einzige kritische Stimme war zu hören, nämlich die von Broder höchstpersönlich  - und er bringt es auf den Punkt:

"Stellen wir uns einmal, nur zum Spaß, den folgenden Fall vor: Ein rechter deutscher Politiker sagt an die Adresse eines jüdischen...: "... Ich wünsche Ihnen die Nürnberger Rassengesetze an den Hals!" - Wie lange würde es dauern, bis dieser Politiker alle seine Parteiämter loswäre, seine Partei sich von ihm distanziert, die gesamte deutsche Öffentlichkeit seine Worte verurteilt hätte? Wahrscheinlich keine 24 Stunden. Und kein Mensch würde es heute wagen, des Politikers Meinung durch schräge Interpretationen zu rechtfertigen."

Nun, Sie haben recht, wenn Sie stutzen und daran zweifeln , dass sich Broder derartig contra eum ipsum ins Zeug legte. Nein, mit diesem Beitrag hatte sich Henryk M. Broder in der SZ am 11.11.1995 in der sogenannten Hrdlicka-Debatte zu Wort gemeldet. Zur Erinnerung: Hrdlicka hatte im Suff Wolf Biermann „die Nürnberger Rassegesetze an den Hals“ gewünscht. Dieser Fall wurde mit Pro und Contra in der Presse durchdekliniert und durchkonjugiert. Zurecht wandte sich Henryk M. Broder gegen Apologien, in denen der Alkoholabusus als mildernder Umstand in Rechnung gestellt wurde. H.M.B. forderte, daß  Hrdlickas „Mahnmal für die verfolgten Wiener Juden sofort abgerissen werden sollte.“

H.M.B. ist in deutschen Landen der Urmeter, der unfehlbare doctor mirabilis oder doctor angelicus in allen Fragen, die das Wesen und Unwesen des Antisemitismus und Nazismus und der  Schöße, die noch fruchtbar sind, betreffen, nicht wahr?  Er  erklärt die Sache so, daß auch der Dümmste sie verstehen kann:  „Seit 1945 ist der Nazismus kein Verein, keine Partei, keine Wanderbewegung. Es ist ein Geisteszustand oder eine Geistesverwirrung, in jedem Fall das, was der Brite „state of mind“ nennt. Die einen feiern Führers Geburtstag, den anderen fallen automatisch die Nürnberger Gesetze ein, wenn sie einem Juden ein Verhängnis an den Hals wünschen. Dieser „state of mind“ ist von einer politischen Haltung vollkommen unabhängig. Hrdlicka ist ein Nazi, weil er sich zu der Rassepolitik der Nazis, dem Herzstück der nationalsozialistischen Philosophie, bekennt …

Dürfen wir in Analogie zu der gelehrten Ausführung H.M.B.´s die Hypothese wagen: Henryk M. Broder ist ein Judaeonazi, weil er sich wie Bolle daran ergötzt, dass da ein "Siegfried" zu Nürnberg weilt, der sich nicht schämt, in der Stadt Leo Katzenbergers die Volksschädlingsverordnung, einen Grundstein nationalsozialistischer Eugenik und Volkserziehung,  gegen einen Juden, der zu Israel eine andere Ansicht vertritt, in Anschlag zu bringen?

Broder schämt sich nicht, warum auch? Von meinen Zeitgenossen würde ich jedoch - ich befürchte manchmal, dass ich zu wenig großzügig, zu pingelig denke - gerne wissen, wieweit Broder denn, Millimeter, Zentimeter, Meter oder gar Lichtjahre, vom moralischen Bankrott entfernt ist. M.E. handelt es sich um Konkursverschleppung.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Es tut weh, zuzuschauen, wie diese Seite sich an Broder abarbeitet. Das schmeichelt diesem chronisch unsauber argumentierenden und chronisch ueberschaetzten Egomanen. Broder hat nur verdient, ignoriert zu werden.

Unknown hat gesagt…

Es tut weh, zuzuschauen, wie diese Seite sich an Broder abarbeitet. Das schmeichelt diesem chronisch unsauber argumentierenden und chronisch ueberschaetzten Egomanen. Broder hat nur verdient, ignoriert zu werden.