Mittwoch, 18. Juli 2012

Der Levy-Report. Und eine Frage an Bernd Dahlenburg

Eine israelische Regierungskommission hat den "Levy Report", nach HaOlam, dem Deutsch-Israelischen Online-Magazin, "den gesetzestreuen Bericht des Richters Edmund Levy", vorgelegt. Was steht in dem Report?

"dass die Siedlungen mit vollem Wissen der Regierung errichtet wurden, mit Wissen “beginnend von den Ministern bis zu denen, die die Regierung führen, und weiter zu den untersten Verwaltungsebenen“. Das Komitee spricht die Siedler von allen kriminellen Anklagen frei: “Die Argumentation der Regierung, dass die Siedlungen illegal errichtet worden seien, obwohl sie einerseits selbst den Bau ermutigt hat, während sie andererseits ihre Planungsverfahren ‘eingefroren‘ hat – das ist ein Verhalten, das Treu und Glauben im höchsten Grad widerspricht.
Er enthält ebenfalls die rechtlichen Rahmenbedingungen, die der Regierung problemlos den Planungsprozess und die Genehmigung von Nachbarschaften in Siedlungen ermöglichen, deren Gründung von der Regierung ermutigt wurde. Dies geschieht mittels der so genannten “Tower and Stockade“ Methode – wonach illegal errichtete Gebäude nicht zerstört werden, sobald das Dach vervollständigt worden ist.
Der Levy Bericht behandelt auch die bizarre “Landnutzung – Störung“ Anordnung, die die Zivilverwaltung in Judäa und Samaria befähigt hat, Israelis von ihrem Land oder aus ihren Häusern zu werfen, wann immer ein Palästinenser auftauchte und behauptete, dass das Land ihm gehören würde; das Komitee schlägt vor, diese Anordnung als hinfällig zu betrachten. Am Montag bezeichnete Levy diese Anordnung als „barbarisch“ und erklärte, dass “das Rechtssystem für so etwas keinen Platz hat“.
Vor allem aber bringt das Komitee ans Licht, was der stellvertretende Generalstaatsanwalts Mike Blass und seine Freunde in den letzten Jahren ignoriert haben: Und zwar, dass Israel überhaupt rein gar nichts besetzt hält. Judäa und Samaria unterstehen keiner kriegerischen Besatzung. Israelis haben das Recht, sich in Judäa und Samaria nieder zu lassen, und die Siedlungen sind nicht illegal!" (zitiert nach HaOlam.de, Fettdruck durch mich)

Mit den Aussagen des "gesetzestreuen" Levy-Reports sind alle Vorhänge gefallen, nichts bleibt unklar (oder doch Ihr Einzigwahren Freunde Israels?). Hier wird eine Rechtsgrundlage geschaffen für Aktivitäten, die in vollem Wissen der Regierung getätigt wurden. Ich habe hier immer wieder darauf hingewiesen, dass die Siedlungspolitik die mehr oder weniger offene Agenda der israelischen Regierungen und inzwischen wohl des Mainstreams in Israel ist. Wie auch in der Nuklearpolitik wurde bisher in der Siedlungspolitik der Diskurs in der Schwebe gehalten; die Agenda wird durchgeführt, gleichzeitig Israels "Friedenspolitik" betont. Shalom, Shalömchen. Kein Land, in dem der Frieden so häufig im Mund ist. Mich erinnert das an die 68er-, Sponti-, Hausbesetzer- und Kiffer-Devise "Legal, illegal, scheißegal".  Mit der Annahme des Levy Reports wäre damit Schluß. Das de facto der Siedlungspolitik wird durch das de jure gefestigt. Müssen wir Richter Edmund Levy nicht dankbar sein?

Nun, soweit sind wir noch nicht, dass diese Politik weltweit Anerkennung findet. Neben der SPD-Bundestagsfraktion ("Nahost-Konflikt: Zwei-Staaten-Lösung darf durch Levy Bericht nicht in Frage gestellt werden") hat auch die New York Times Einspruch erhoben:

Wrong Time for New Settlements in the West Bank

"Palestinian hopes for an independent state are growing dimmer all the time. Israel is pushing ahead with new settlements in the West Bank and asserting control over new sections of East Jerusalem, which the Palestinians claim as their capital. Meanwhile, peace talks — the best guarantee of a durable solution — are going nowhere. [...]
dispiriting anomaly: that a state founded as a democratic homeland for the Jewish people is determined to continue ruling 2.5 million Palestinians under an unequal system of laws and rights.
That is unsustainable, and it is damaging to Israel’s security and regional peace. Now that Mr. Netanyahu has expanded his ruling coalition, his excuse is gone for not ending his counterproductive settlement policy and using his new political clout to advance a peace agreement with the Palestinians."

Mein alter etwas bocksbeiniger und störrischer Freund aus Augsburg, Bernd Dahlenburg, ist jedoch mit der Kritk der New York Times überhaupt nicht einverstanden und meint, es sei die


Bernd Dahlenburg weiß "Warum verlaufen die Friedensgespräche – die große “Garantie für eine dauerhafte Lösung” – im Sand? Ganz einfach: die Palästinenser verweigern sich Gesprächen."

Nun, Bernd Dahlenburg gehört zu den Einzigwahren Freunden Israels, die seit Jahr und Tag anmerken, dass der Friede im Nahen Osten schon längst ausgebrochen wäre, wenn die palästinensischen Halunken, Blockadekräfte, Jammerlappen, Pallywood-Traumtänzer die israelischen Friedensoffensiven nicht permanent und systematisch zurückgeschlagen hätten. Nun würde ich aber gerne von Bernd Dahlenburg und seinen Freunden wissen, ob er dem Levy Bericht beistimmt oder nicht. Was sind die Angebote und Chancen, die die Palästinenser eigentlich nicht ablehnen, sondern ergreifen müßten? Was ist die Verhandlungsmasse? Das (Quelle)? Shalom, Shalömchen.

Dienstag, 17. Juli 2012

Hannes Stein denkt über den Atomkrieg nach

Freunde, immer noch bin ich im Stand-by-Modus, da es nichts konzeptionell Neues unter der Sonne bei den Einzigwahren Freunden Israels gibt. Mag sein, dass das das Schlimme ist, aber das lockt mich z.Z. nicht hinter dem Ofen heraus.

Ausnahmen bestätigen die Regel. Hannes Stein - Sie wissen, das ist die schöne Seele, der sensible Philosoph bei den Einzigwahren Freunden Israels, Kostproben hier, hier und hier) - räsoniert über den Atomkrieg

Nukleare Abschreckung: Atomkriege kann man denken - aber auch führen?

Klar, Atomkriege kann und muss man auch führen, Hannes Stein zeigt uns in seiner Besprechung des Buches

Ron Rosenbaum: "How the End Begins. The Road to a Nuclear World War III", Simon & Schuster, 304 Seiten, 28 Dollar

wann, warum und wie ein nuklearer Erstschlag moralisch geboten und erlaubt sein kann mit der gebotenen Nüchternheit und Sorgfalt. Ron Rosenbaum ist, so Hannes Stein,

"Als Autor für dieses Thema ist Rosenbaum jedenfalls prädestiniert: Aus seiner Feder stammt auch ein Bestseller über die verschiedenen (oft ziemlich aberwitzigen) Versuche, Hitler zu erklären [...] Ron Rosenbaum ist ein Mann mit Sinn für Subtilitäten, für Nuancen, Paradoxien und Zwischentöne. Diesen Feinsinn benötigt dringend, wer sich auf das Gebiet des Atomkrieges vorwagt, denn hier herrscht verwirrendes Zwielicht."

Wie gesagt, die Überlegungen, die uns Hannes Stein vorstellt, sind sorgfältig und sehr gewissenhaft, zeugen von tiefem moralischen Ernst; erörtert werden ein Moralisches Dilemma der atomaren Abschreckung und Moralische Paradoxien des nuklearen Krieges. Letztere bestehen darin - Hannes Stein zitiert und übersetzt:

"Moshe Halbertal [Talmudforscher und Experten für militärische Ethik] meint dazu ganz kategorisch Folgendes: "Du darfst dein Leben nicht auf Kosten unschuldiger Menschen retten, auf die du zielst." Ein atomarer Bluff sei erlaubt, alles Weitere unter keinen Umständen (auch nicht im Fall eines Atomkrieges) gestattet: "Ich bin gegen einen Vergeltungsschlag." Aber das ist nicht die ganze Enthüllung. Das dicke Ende kommt sozusagen noch. Gleich danach sprach Halbertal seinem Gesprächspartner nämlich aufs Tonband: "Es könnte eine Situation geben, in der die einzige Chance, einen nuklearen Angriff auf Israel zu verhindern, darin bestünde, den iranischen Staat zu zerstören.
Damit meine ich: Man müsste seine Fähigkeit zerstören, als ein Staat zu handeln. Und hier – so merkwürdig es ist, das zu sagen – wäre das beinahe ein Fall des kollateralen Tötens von Zivilisten. Dies würde nicht auf unschuldige Zivilisten zielen, es ist nicht Hiroshima und Nagasaki. Es könnte gegen Atomlaboratorien, gegen Fabriken, gegen Reaktoren gerichtet sein, was auch immer sie haben. Oder gegen den Staatsapparat, der notwendig ist, um so etwas anzuordnen und herbeizuführen."

Die Überlegungen fasst Hannes Stein so zusammen (da ich das Buch nicht gelesen habe, weiß ich nicht, ob diese Interpretation zulässig ist):

"Mit anderen Worten: Ein Gegenschlag wäre immer verwerflich. Aber ein gut gezielter nuklearer Erstangriff, bei dem unweigerlich auch Nonkombattanten umkommen würden, könnte unter bestimmten Umständen moralisch erlaubt sein – um noch Schlimmeres zu verhindern, um die Zahl der Opfer auf beiden Seiten möglichst gering zu halten."

Nun ja, gut gezielter atomarer Erstangriff. Ich hatte es nicht für nötig gehalten, in der Debatte über das Grass-Gedicht Was gesagt werden muss mitzutönen. Ich fand  Grassens implizite Unterstellung eines nuklearen Erstschlags Israels gegen den Iran falsch, da ich bisher immer davon ausgegangen bin, dass es den Israelis darum geht, mit einem militärischen nicht atomaren Schlag die Entwicklung einer iranischen Atommacht zu stoppen. Nach der Aufklärung durch Hannes Stein muss ich diese Ansicht möglicherweise revidieren.

Ich muss auch gestehen, dass es mir auf den Sack geht, wenn die Besatzungspolitik Israels oder ein nuklearer Erstschlag gegen den Iran ganz skrupulös, unter Abwägung aller moralischen Gesichtspunkte, Dilemmata und Paradoxien durchgeführt oder erwogen wird.  Henryk M. Broder wirft den Deutschen zuweilen vor, dass sie Exportweltmeister der Moral sind, Weltmeister der Moral sind die Israelis.